Wege zu Jürg Maurer | Rudolf Wyss 1985
Im Sonnacker, zwischen Kiesen und Oppligen, dort, wo die Gletscher über dem Aaretal ihre Moränenbänke zurückgelassen haben, wohnt Jürg Maurer, der Maler und Grafiker.
Hier das Wohnhaus, daneben das bescheidenere Gebäude, in dem sich das Atelier befindet, beide in der Stille eines friedlichen Geländes, weithin abgeschieden von der Hast und Geschäftigkeit unserer Zeit.
Wer auf dem Sonnacker Einkehr gehalten hat, dem wird die Kunst von Jürg Maurer erst recht verständlich. Nicht dass sie sich dem schnellen Betrachter verschliesse – nein, was der Künstler zeichnet und malt, ist klar und spricht unmittelbar an. Doch erst beim Verweilen vor den Blättern und Bildern versteht man ihre eigentliche Botschaft. Mit ihrer Sprache verbindet sie Liebe und Ehrfurcht. Sie deutet ebenso die Stille verlorener Täler im Emmental, wie die Wucht und den Zerfall des Urgesteins in den Alpen, die wundersame Gestalt eines einzelnen Baumes und die Ruhe des Waldes. Wir stehen vor Stillleben mit eigenwilligen Formen der Äpfel und Zwiebeln, alles zusammengefasst zu kleinen Kunstwerken, gestaltet mit der Freude an den kleinen und grossen Dingen unseres Alltags. Auf einigen Bildnissen erkennen wir, mit welcher Einfühlung der Künstler im Antlitz werdender Menschen das seelische Erwachen, das Staunen ob dem, was das Leben einem jeden in Bereitschaft hält festzuhalten versteht.
Unschwer ist es zu erkennen, wie der Künstler eine vielseitige Ausbildung erfahren hat, angefangen an der Kunstgewerbe- und der Keramischen Fachschule in Bern, bei bekannten Kunstmalern und Bildhauern und als Mitarbeiter in der Radierwerkstatt eines bedeutenden Grafikers. Seine Arbeitsgebiete sind sowohl die Öl- und Aquarellmalerei, wie die Zeichnung, die Radierung und die Lithographie. Was er an die Hand nimmt, er vollendet es mit Sorgfalt; er verweilt nicht bei hastig vorüberhuschenden Eindrücken. Seine Kunst ist das liebevolle Erfassen der seelischen Werte – sei es in der Landschaft oder vor einer Baumgruppe, beim Anblick einer Pflanze oder der kleinen Alltagsdinge. Und erst recht, wenn sich die Möglichkeit bietet, sich in die Züge eines Menschen zu vertiefen und dort herauszulesen, was wesentlich und bleibend ist.
Jürg Maurer | anlässlich der 17. Kunsausstellung in Trubschachen 2005
„Drei Dinge berühren mich sehr: der Raum – das Licht – der Klang.
Das Eindringen in die Raumtiefe einer Landschaft erzeugt das Gefühl, man nähere sich den Hintergrundskräften der sichtbaren Welt.
Das Licht: Bei den Stillleben ist es statisch und es ist möglich, es in seinen stärksten Ballungen bis zum feinsten Ausklingen in der Dunkelheit zu betrachten.
Anders in der freien Natur: Das Licht wandelt sich beständig und es entstehen immer wieder neue Farb- und Formmelodien. Gerne möchte man dem Spielmann dieser Musik begegnen!“
Jürg Maurer | Urs Zaugg 2005
Jürg Maurers Bilder sind sehr sensibel interpretierte, lichtvolle, in feinem divisionistischen Kolorit umgesetzte Darstellungen. Als „Musik des Sehens“ möchte man seine Arbeiten benennen. Eine Erlebniswelt der Stille. Im Oeuvre des Malers finden sich Motive wie Stillleben, archaische Berglandschaften der Gemmi, Bäume und lichtdurchflutete Wälder, Impressionen vom Bodensee. Grossformatige Zeichnungen öffnen dem Beschauer die Augen und erzählen von der wenig beachteten „Vegetation am Wegrand“. Die verheissungsvolle Farbe Blau und ein umfassendes, helles Licht beherrschen vielfach Jürg Maurers Bilder.
Jürg Maurer | Hans Suter 2012 anlässlich der Gedenkausstellung in der Galerie Rosengarten in Thun
… Seine technisch vielseitigen Arbeiten faszinieren durch ihre prägnante Darstellung. Die Bleistift- und Kohlezeichnungen sind kraftvoll, von sicherem Strich. Radierungen sind fein empfunden. Die in allen Jahreszeiten gemalten, oft grossformatigen Landschaften sind beseelt, von zarter Poesie. Eine ganz besondere Mischung von Wirklichkeitsnähe und Verklärung, von Realem und Idealem ist ihnen eigen. Dem Maler gelingt der Spagat zwischen realistischer Naturdarstellung und impressionistischer Lichtfülle. Er erreicht damit eine stilistische Dualität, deren eigentliche Gegensätzlichkeit sich symbiotisch ergänzt. Eindrücklich sind die Himmelsdarstellungen, Wolkenbildungen und Bergseespiegelungen. Hügel sind mit einem samtenen Glanz überzogen, Steine und Felsen sind mit unzähligen Lichtpünktchen besetzt.
…Altmeisterlich erscheinen die fabelhaften Stillleben. Wie konnte Jürg doch Eier plastisch darstellen, zum Greifen nah, ebenso Äpfel, Birnen, Nüsse und Zwiebeln. Und wie geschliffen wirken seine Gläser, Karaffen, Kelche und Vasen!
…Jürg Maurer war belesen. Er setzte sich eingehend mit Zen, der japanisch – chinesischen Richtung des Buddhismus, auseinander. Oft konsultierte er das Buch „I Ging“ mit einer in 3000 Jahren gesammelten Spruchweisheit Chinas, von dem auch Hermann Hesse im „Glasperlenspiel“ berichtet. Eine literarische Wahlverwandtschaft fand er in Robert Walser und Adalbert Stifter, beide wie er Meister im Schildern von Landschaften und Naturstimmungen. Auch die Waldbilder von Jürg Maurer können uns die wunderbare Atmosphäre eines Waldes nahe bringen, das Summen der Bienen, der Gesang der Vögel, das Duften des Harzes, der Blüten und Beeren, das Rauschen der Tannenwipfel. Und wie dem Österreicher Dichter Adalbert Stifter waren auch unserem Maler im Leben und im künstlerischen Schaffen Bescheidung, Ordnung, Klarheit und das Erfassen des Grossen im scheinbar Kleinen wichtig.